Offener Brief an den Geraer Oberbürgermeister

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

das Zentrum für Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration (KomRex) der Universität Jena analysierte in unserem Auftrag die Inhalte und Zusammenhänge des Anzeigenblatts „Neues Gera“. Im Anhang senden wir Ihnen dieses Gutachten.

Die Analyse ordnete das Anzeigenblatt ideologisch zwischen Nationalkonservativismus und Rechtspopulismus ein; in Teilen rechtsextrem, insbesondere in Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates der Bundesrepublik Deutschland, sowie geschichtsrevisionistisch mit Relativierung der Singularität des Holocausts. Es wurde verdeutlicht, dass AfD-Programmatiken und -Mitglieder nicht nur in dem Blatt veröffentlichen, sondern dieses auch insgesamt verantworten.

Die Stadtverwaltung Gera ist dazu verpflichtet, für demokratische Werte im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland einzustehen. Sie darf sich dazu nicht neutral verhalten. Dies bedeutet, dass alles, was demokratische Werte in Gefahr bringt, sei es durch parlamentarische, aber auch gesellschaftlich verbreitete Formen von Rassismus, Antisemitismus, Wissenschaftsfeindlichkeit und NS-Relativierung, verhindert werden muss und es eine klare Positionierung dagegen braucht.

Die Partei AfD hat in dem Anzeigenblatt von Dr. Harald Frank, der gleichzeitig Vorsitzender der Stadtratsfraktion der AfD ist, einen überproportional hohen Anteil. Gleichwohl ist bekannt, dass die Thüringer Landtagsfraktion der AfD mit Björn Höcke eine Person an der Spitze hat, die immer wieder geschichtsrevisionistisch, rassistisch, völkisch-nationalistisch und demokratiefeindlich auftritt. Der Thüringer Verfassungsschutz führt diese Partei als Verdachtsfall, was bedeutet, dass ihm hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vorliegen. Dr. Harald Frank hat sich nie davon distanziert.

In dem Anzeigenblatt „Neues Gera“ kommen mit großer Mehrheit AfD-Mitglieder und –Funktionär/innen sowie AfD-nahe Personen zu Wort, es lassen sich immer wieder personelle Verbindungen herstellen zu unterschiedlichen „neurechten“ Zeitungen. Die sogenannte Neue Rechte, die sich als konservativ und bürgerlich gibt, eint rassistische Einstellungen und eine immer wieder nachweisbare Verwobenheit mit der extremen Rechten. In der Rubrik „Aus fremden Federn“ werden in dem Blatt hin und wieder Texte als Wiederabdruck veröffentlicht, die zuvor in Publikationen wie dem „Magazin Tumult“, „Sezession“ oder „eigentümlich frei“ erschienen sind und klar der „Neuen Rechten“ zugeordnet werden.

Außerdem werden in dem Anzeigenblatt immer wieder Kommentare und Leserbriefe mit antimuslimisch-rassistischen Ressentiments und Verschwörungsideologien abgedruckt. Vor allem durch die Relativierung der Corona-Pandemie und deren Maßnahmen dagegen zeigt sich eine Wissenschaftsfeindlichkeit, die derzeitige Forschungsstände von renommierten Wissenschaftler/innen nicht anerkennt. Gleichzeitig wird die derzeitige Politik der Bundesregierung mit Diktaturen gleichgesetzt, wodurch diese relativiert und verharmlost werden.

Besonders verurteilen wir die Relativierung der Singularität des Holocausts, die in einer der Ausgaben stattfindet, in dem die Kritik an der AfD mit dem antisemitischen Boykottaufruf während des Nationalsozialismus verglichen wird. Eine Verharmlosung des nationalsozialistischen Systems darf in keiner Weise stattfinden. Solchen und weiteren Aussagen gilt es, sich entschieden dagegen zu stellen.

Es verbietet sich daher, dass die öffentliche Verwaltung mit einem solchen Verleger zusammenarbeitet und ihn dadurch finanziell unterstützt. Deswegen fordern wir, bei der Vergabe der Verteilung der Printausgabe des Amtsblattes der Stadt Gera den Verlag Dr. Frank auszuschließen.

Mit freundlichen Grüßen

Mitglieder im Aktionsbündnis Gera gegen Rechts

Anlage: Studie KomRex